13.08.2020

Familiengrab und Nutzungsrecht – wer hat das Sagen?

Familienrecht allgemein

Bei einem Todesfall in der Familie muss man sich unter Zeitdruck für eine Bestattungsform entscheiden. Erdbestattung oder Feuerbestattung mit Urnenbeisetzung – im Reihengrab oder Wahlgrab? Alternative Formen, wie z.B. eine Beisetzung im Friedwald, sind noch die Ausnahme. Wenn es noch kein Familiengrab gibt, stellen sich weitere Fragen: Wie soll die Grabstätte aussehen und wer soll das Nutzungsrecht am Familiengrab haben?

Grab ist nicht gleich Grab

Insbesondere die Unterscheidung zwischen Reihengrab und Wahlgrab ist wichtig. Bei einem Reihengrab ist das Nutzungsrecht meistens endgültig auf 20 Jahre begrenzt. Beigesetzt werden darf dort nur ein einzelner Mensch, und zwar „der Reihe nach“, also nach der zeitlichen Abfolge der Todesfälle. Ein Reihengrab wird auf einem – häufig separaten – Grabfeld vergeben. Angehörige haben daher keine Möglichkeit, die Lage und Größe des Grabes selbst zu bestimmen. Nach Ablauf der Nutzungszeit ist kann diese üblicherweise nicht verlängert werden, da meist das gesamte Grabfeld eingeebnet wird.

Bei einem – meist deutlich teureren – Wahlgrab hingegen ist vieles anders. Dort gibt es die Möglichkeit zur Bestattung mehrerer Familienmitglieder (auch in zeitlichem Abstand) und die Nutzungszeit kann verlängert werden. § 12 Absatz 2 des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes lautet:

An Grabstätten auf Gemeindefriedhöfen kann ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht eingeräumt werden (Wahlgrab). Das Nutzungsrecht wird durch eine schriftliche Nutzungserlaubnis erworben. Die Voraussetzungen für den Erwerb und der Inhalt des Nutzungsrechts sowie der Kreis der Nutzungsberechtigten sind in der Friedhofsordnung festzulegen.

Entscheidung über die Art und Weise der Bestattung

Hat der Verstorbene bestimmte Wünsche geäußert und sind diese dem Angehörigen bekannt, sollten sie auch nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Das gilt erst Recht dann, wenn die „Wünsche“ in einer letztwilligen Verfügung (z.B. Testament oder Erbvertrag) für den Erben als Auflage festgeschrieben wurden. Gibt es keinerlei Festlegungen, kann der Angehörige unter den örtlich gegebenen Möglichkeiten frei wählen. Das gilt zumindest dann, wenn er z.B. als Alleinerbe sowieso selbst für die Bestattungskosten aufkommen muss.

Wer aber ist überhaupt verpflichtet, die Bestattung zu organisieren und all diese Entscheidungen zu treffen? Die Bestattungspflicht ist in den jeweiligen Landesvorschriften (teils mit erheblichen Unterschieden) geregelt und bestimmt sich nicht nach dem Erbrecht.

Bestattungspflicht

Hier ein Überblick über die Reihenfolge der Bestattungspflichtigen (zitiert nach dem gleichnamigen Wikipedia-Eintrag):

„- Erbe (vorrangig vor allen anderen, nur nach Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz)
– Ehepartnerin/Ehepartner oder Lebenspartnerin/Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
– die Kinder (in einigen Bundesländern nur, wenn volljährig)
– die Eltern
– die Geschwister (in einigen Bundesländern nur, wenn volljährig)
– Partnerin/Partner einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft (nur in einigen Bundesländern)
– sonstige Sorgeberechtigte (z. B. Vormund eines verstorbenen Minderjährigen; nur in Rheinland-Pfalz und Sachsen)
– die Großeltern (nicht in Brandenburg)
– die Enkelkinder (in einigen Bundesländern nur, wenn volljährig)
– sonstige Verwandte bis zum 3. Grad, z. B. Neffen und Nichten in Bayern, Hamburg, Sachsen; Onkel und Tanten in Hamburg und Sachsen,
– Verschwägerte in Bayern und Hamburg, Verlobte in Hamburg.

Es gibt regionale Besonderheiten. Teilweise wird auch darauf abgestellt, dass die jeweiligen Personen volljährig oder voll geschäftsfähig sind, teilweise sind bei gleichrangig Verpflichteten die Älteren vor den Jüngeren bestattungspflichtig.

Ausschließlich im Land Hessen ist nachrangig nach den Angehörigen auch die Einrichtung bestattungspflichtig, in der der Verstorbene zum Todeszeitpunkt untergebracht war, z. B. Krankenhaus, Pflegeheim.

Die Bestattungspflicht ist nicht mit dem Erbrecht verbunden. Der Erbe hat kein Bestimmungsrecht über die Art und Weise der Bestattung. Auch wenn die Erbschaft ausgeschlagen wird oder kein Nachlass vorhanden ist, besteht diese gesetzliche Bestattungspflicht. In Rheinland-Pfalz ist abweichend davon der Erbe vorrangig vor den Familienangehörigen bestattungspflichtig. Ein rechtlicher Betreuer (§ 1896 BGB) ist nicht verpflichtet, die Bestattung des früheren Betreuten zu veranlassen (in Sachsen wurde dies vor einigen Jahren durch Änderung der diesbezüglichen Verwaltungsvorschrift klargestellt).“

Wer das Nutzungsrecht hat, bestimmt

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht erfolgt kein „Kauf“ der Grabstätte, sondern die Gemeinden übertragen einem Angehörigen ein Nutzungsrecht auf der Grundlage ihrer Friedhofsordnung.

Erläuterung: In Deutschland ist das Bestattungswesen durch das Bestattungsrecht des jeweiligen Landes geregelt. Dazu gehören Bestattungsgesetze, Friedhofsgesetze, Leichenverordnungen.
Kommunal (bzw. durch die Religionsgemeinschaft) werden diese Vorschriften in Friedhofsordnungen umgesetzt.

Wer erhält das Nutzungsrecht? In den meisten Fällen die Person, die (meist über den Bestatter) bei der Gemeinde die Grabstätte beantragt. Die Übertragung des Nutzungsrechts ist nach der jeweiligen Friedhofsordnung möglich, wenn auch eingeschränkt. Bei einer Erbengemeinschaft (mehrere Personen sind Erben) sollten sich die Miterben vorab untereinander abstimmen, wer das Nutzungsrecht erwirbt.

Welche Probleme können beim Nutzungsrecht entstehen?

Bereits die Frage, wer von mehreren Angehörigen/Erben das Nutzungsrecht erhält kann Streit auslösen. Beispiel: In einer kinderlosen Ehe verstirbt der Ehemann. Weil die (betagten) Eltern des Verstorbenen den Erbfall erlebt haben, bilden diese zusammen mit der Witwe eine Erbengemeinschaft. Nun geht die Schwiegertochter zur Gemeinde und erhält das Nutzungsrecht übertragen. Die Eltern und die Geschwister des Verstorbenen haben dadurch keinen Einfluss auf die Ausgestaltung und Pflege der Grabstätte. Insbesondere kann im nächsten Todesfall, wenn ein Elternteil verstirbt, dieser nur mit Zustimmung der Ex-Schwiegertochter im „Familiengrab“ neben dem verstorbenen Sohn bestattet werden. Hier kann bereits der Umstand übel aufstoßen, eine nicht zum Stamm der Familie gehörende Person um Zustimmung bitten zu müssen.

Was ist, wenn der Nutzungsberechtigte selbst verstirbt?

Das Nutzungsrecht an der Familiengrabstätte sollte möglichst lange im Kreis der Familie bleiben, weil man sich hierfür bewusst entschieden hat und weil die Nutzungszeiten meist lang sein sollen beziehungsweise sich mit jeder Beisetzung verlängern können. Stirbt der Nutzungsberechtigte, kommt es darauf an, ob er eine individuelle Nachfolgeregelung getroffen hat oder ob die abstrakte Nachfolgeregelung der jeweiligen Friedhofsordnung zur Anwendung kommt.

Eine Nachfolgeregelung in einer Friedhofsordnung könnte beispielsweise lauten:

„Der Nutzungsberechtigte soll für den Fall seines Ablebens seinen Nachfolger im Nutzungsrecht bestimmen. Dieser ist aus dem nachstehend genannten Personenkreis zu benennen. Wird keine Regelung getroffen, so geht das Nutzungsrecht in nachstehender Reihenfolge auf die Angehörigen des verstorbenen Nutzungsberechtigten mit deren Zustimmung über
a) auf den überlebenden Ehegatten oder den eingetragenen Lebenspartner
b) auf die Kinder,
c) auf die Stiefkinder,
d) auf die Enkel in der Reihenfolge der Berechtigung ihrer Väter oder Mütter,
e) auf die Eltern,
f) auf die Geschwister,
g) auf die Stiefgeschwister,
h) auf die nicht unter a) bis g) fallenden Erben. Innerhalb der einzelnen Gruppen wird jeweils der Älteste nutzungsberechtigt.“

Erläuterung: In den Friedhofsordnungen findet meistens das sog. Anciennitätsprinzip Anwendung. Demnach geht das Nutzungsrecht, wenn der verstorbene Nutzungsberechtigte mehrere Kinder hat, auf das älteste Kind über.

Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig (OVG Schleswig, Urteil vom 14.04.2016 – 2 LB 25/15) zu entscheiden, welchen Inhalt das öffentlich-rechtliche Sondernutzungsrecht am Familiengrab hat. Im dortigen Fall stritten sich zwei Halbbrüder und eine Ehefrau des einen Halbbruders mit der Friedhofsverwaltung über die Berechtigung zur Umgestaltung zweier Grabstätten.

Die Richter stuften das Nutzungsrecht an der Wahlgrabstätte als subjektiv-öffentliches Sondernutzungsrecht ein, auf den sich der Eigentumsschutz (Art. 14 GG) demzufolge nicht erstrecke. Die Nachfolgeregelung in der Friedhofssatzung dürfe deshalb von den Regelungen des Erbrechts abweichen. Zweck einer solchen Regelung sei schließlich, der Friedhofsverwaltung eine schnelle und einfache Ermittlung des neuen Nutzungsberechtigten (und Nutzungsverpflichteten) zu ermöglichen.

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