Nach Meldungen über Pläne der Bundesregierung, die Immobilien-Bewertungsverfahren ändern zu wollen, fürchten viele eine massive Erhöhung der Erbschaftssteuer. Insbesondere Verbände der Immobilieneigentümer schlagen Alarm und rechnen vor, welche Erbschaftssteuerlast auf jemanden zukommen kann, der in einem Ballungsraum mit hohen Immobilien-Verkehrswerten (z.B. Hamburg oder München) wohnt.
Überschriften wie „Was Sie zur neuen Erbschaftssteuer wissen sollten“ sind aber zu reißerisch. Eine Reform der Erbschaftssteuer ist überhaupt nicht im Gespräch. Vielmehr ist der Gesetzgeber gerade damit befasst, das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) auf den Weg zu bringen, in dem es auch ein paar Änderungen im Bewertungsgesetz geben soll.
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 457/22) vom 16.09.2022 spricht u.a. Gesetzgebungsbedarf an bei „Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes an die Immobilienwertermittlungsverordnung“.
Interessant sind hier nur die geplanten Änderungen zum Bewertungsgesetz – BewG (siehe Art 12 des Entwurfs, ab Seite 24, im PDF Seite 32). Grundlage für die Besteuerung in der Erbschafts- undSchenkungssteuer ist schon seit langem, nämlich seit der Reform von 2009, stets der Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erwerbs (§ 12 Abs.1 und Abs 3 ErbStG). Absatz 3 lautet: „(3) Grundbesitz (§ 19 Abs.1 des Bewertungsgesetzes) ist mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes auf den Bewertungsstichtag (§ 11) festgestellten Wert anzusetzen.“ § 151 BewG verweist für Grundbesitzwerte auf die §§ 138, 157 des Bewertungsgesetzes. § 138 lautet derzeit: „Grundbesitzwerte wer den unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt festgestellt.“ und § 157 lautet derzeit: „Grundbesitzwerte werden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag festgestellt.“ Diese Grundsätze bleiben unverändert. Jedenfalls sieht der Entwurf keinerlei Änderungen daran vor.
Es gab auch schon immer verschiedene Bewertungsmethoden (je nachdem, ob es sich um vermietetes Renditeobjekt oder eine selbstgenutzte Immobilie handelt). Es mag sein, dass manche Erbschaftssteuer-Finanzämter bisher großzügiger waren bei der Bewertung von Immobilien. Der Steuerpflichtige kann den einmal festgesetzten Wert (Grundlagenbescheid) z.B. anzweifeln durch Vorlage eines eigenen Gutachtens. § 138 Abs.4 BewG lautet: „Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit im Besteuerungszeitpunkt niedriger ist als der nach den §§ 143, 145 bis 149 ermittelte Wert, ist der gemeine Wert als Grundbesitzwert festzustellen.“
Was ändert sich dann überhaupt?
Änderungen soll es geben bei der Art und Weise, wie der Verkehrswert ermittelt werden soll. Nach dem Entwurf der Bundesregierung sollen die Gutachterausschüsse mehr eingebunden werden und dortige Vergleichszahlen mehr genutzt werden. Eine Vergleichswertermittlung funktioniert allerdings nur bei einer ausreichenden Anzahl an Verkaufsvorgängen (vergleichbarer Objekte) im 3-Jahres-Zeitraum. Einzelheiten innerhalb der Sachwert-Ermittlung (diese ist insbesondere bei selbstgenutzten Objekten relevant), wie z.B. Verlängerung der Restnutzungsdauer, Liegenschaftszinssätze, Alterswertminderungsfaktor, Regionalfaktoren, usw. können grundsätzlich zu einem höheren Verkehrswert-Ergebnis führen. Damit wird vor allem der „Spielraum“ für die Verkehrswertgutachter deutlich eingeschränkt. Die Änderung der Bewertungsvorschriften wird sich auch auf weitere Steuerarten auswirken. Beispiele: Spekulationssteuer (Veräußerungsgewinn), Schenkungssteuer. Werden dann auch die Freibeträge bei der Erbschaftssteuer erhöht? Laut Stimmen einiger Politiker wird das hin und wieder gefordert. Allerdings sehen die bisherigen Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates (federführender Finanzausschuss, der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Wirtschaftsausschuss und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung) vom 17.10.2022 keine Ausführungen zum Art.12 des Entwurfs. Gleiches gilt für die Stellungnahme des Bundesrates vom 28.10.2022. Vermutlich also nicht. Wer sich jetzt noch überlegt, Grundbesitz auf die Kinder zu übertragen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, kann der Anwendung der neuen Bewertungsgrundsätze möglicherweise gar nicht mehr verhindern. Das Gesetz wird in den Übergangsvorschriften voraussichtlich anknüpfen an den Tag der notariellen Beurkundung.
Wer sich jetzt noch überlegt, Grundbesitz auf die Kinder zu übertragen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, kann der Anwendung der neuen Bewertungsgrundsätze möglicherweise gar nicht mehr verhindern. Das Gesetz wird in den Übergangsvorschriften voraussichtlich anknüpfen an den Tag der notariellen Beurkundung.
In jedem Fall sollte eine Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht und durch einen
Steuerberater erfolgen. Diese Beratungsinhalte werden durch den Notar nicht abgedeckt. Die
Begleitung durch einen Steuerberater bietet Sicherheit beim Verfahren der steuerlichen Bewertung
und Steuerfestsetzung. Die vorherige Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht bietet
Sicherheit, dass die spätere Notarurkunde die richtigen Inhalte aufweist (z.B. Rückforderungsrechte,
rechtliche Ausgestaltung des vorbehaltenen Nießbrauchs oder Wohnrechts).