Bestattungsunternehmen vermitteln seit einiger Zeit „Online-Schutzpakete“, mit denen Überraschungen ausbleiben sollen, die von digitalen Hinterlassenschaften ausgehen können. Konkret wird ein Auftrag erteilt, mit Hilfe eines Datenabgleichs (ohne Passwörter oder sonstige Zugangsdaten) und in Kooperation mit dem IT-Unternehmen columba, Online-Konten und zugeordnete Verträge bei Internetunternehmen zu ermitteln, zu kündigen oder auf Wunsch zu übertragen.
Klingt zunächst mal supereinfach. Beim zweiten Blick stellen sich Fragen nach dem Sinn, nach der Praktikabilität und des rechtlichen Erfolges: Mal abgesehen von der Frage, ob da – angesichts der technischen Entwicklungen – nicht ohnehin zu viel versprochen wird, wäre eine transmortale Kündigungsvollmacht in einigen Fällen wirkungslos – etwa, wenn ein Generalbevollmächtigter (dessen Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten sollte) diese widerruft. Dann kann der Vertrag nicht mehr erfüllt werden und das (bereits bezahlte) Schutzpaket läuft ins Leere.
Der wohl vom Erblasser selbst noch abgeschlossene Vertrag geht bei seinem Tod auf die Erben über. Die Verpflichtungen aus dem Schutzpaket müssen somit den Erben gegenüber erfüllt werden (als Rechtsnachfolger des Verstorbenen). Diese wachen aber sowieso über den Nachlass – grundsätzlich auch über den digitalen Nachlass. Und: Auch die Online-Konten mitsamt Verträgen bei den Internetunternehmen gehen auf die Erben über.
Schutzpaket hin oder her – es bleibt die Lästigkeit, mit den Internetunternehmen (theoretisch weltweit) in Kontakt zu treten, sich auszuweisen und in jedem Einzelfall zu entscheiden, was mit dem Vertrag und den Daten passieren soll. Facebook, Amazon, Google & Co. verlangen in jedem Fall einen Erbnachweis (in Deutschland üblicherweise der Erbschein oder die beglaubigte Abschrift eines öffentlichen Testaments), meistens auch noch eine Entscheidung eines dortigen Gerichts. Bei kostenpflichtigen Diensten dürfte die Identifizierung eher leichter fallen, weil die Provider viele Kundendaten gespeichert haben. Probleme bereiten eher die kostenlosen Angebote, bei denen die Identität des Nutzers nur über eine gültige E-Mail-Adresse „geprüft“ wurde.
Auf wessen Wunsch werden Verträge übertragen? Könnte der Erblasser quasi an den Erben vorbei noch zu Lebzeiten verfügen, dass seine Geliebte oder andere Dritte bestimmte Online-Konten übertragen bekommen? Das könnte im deutschen Recht eine Vermächtnisanordnung sein (an die die Erben auch gebunden wären), die aber wiederum der gesetzlichen Form letztwilliger Verfügungen genügen müsste, sprich: Es muss ein wirksames Testament (oder ein Erbvertrag) vorliegen.
Fragen zum digitalen Nachlass lassen sich endlos weiter stellen: Was gilt denn z.B. bei Online-Spielen, etwa bei „wertvollen“ Charakteren/Avataren, oder Guthaben in virtuellen Währungen?
Beim 64. Deutschen Anwaltstag organisierten die Arbeitsgemeinschaften Erbrecht, Informationsrecht und Verfassungsrecht eine innovative Veranstaltung: Sie diskutierten die Folgen des Todes in der digitalen Welt und stellten eine Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) vor, der konkrete Änderungsvorschläge für den Gesetzgeber enthält.
Wem gehören E-Mails und andere digitale Hinterlassenschaften eines Verstorbenen? Wenn die Dateien auf einem Medium gespeichert sind, das dem Erblasser gehörte, ist die Lösung einfach. Dann gehören die Daten (zusammen mit der Hardware) zum Erbe, also dem/den Erben. Problematischer ist der Fall, wenn die Daten auf einem Server eines Internet-Providers gespeichert sind (E-Mail-Server, Cloud-Anwendungen, usw.). Sind die Zugangsdaten nicht bekannt (wie im Regelfall) verweigern viele Provider den Erben den Zugriff. Was also tun mit dem digitalen Nachlass? Sollte also jeder am besten ein Testament beim Notar hinterlegen und im Anhang alle aktuellen Zugangsdaten aufführen? Auch wenig praktikabel. Aus Sicherheitsgründen ist schließlich die regelmäßige Änderung von Passwörtern empfohlen…
Die Erben haben regelmäßig einen Anspruch auf die Daten des Erblassers. Das schließt einen Herausgabeanspruch auf das jeweilige Passwort mit ein. So sollte es jedenfalls sein. Die Rechtswissenschaft ist sich aber nicht einig. Teilweise wird die Auffassung vertreten, nur das „Vermögen im engeren Sinne“ geht auf die Erben über – höchstpersönliche Rechte indessen gehen auf die nächsten Angehörigen über. Erben und nächste Angehörige sind nicht zwingend identisch.
Dann gibt es da auch noch das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG), auf das sich die Provider in vielen Fällen erfolgreich berufen können bei Verweigerung der Herausgabe von E-Mails. Diese Vorschrift schützt das Fernmeldegeheimnis von Absender und Empfänger, also auch dasjenige des jeweils anderen Teilnehmers. Somit kann hierauf nicht einseitig vertraglich verzichtet werden.
Inzwischen gibt es wenigstens durch die Facebook-Urteile der Berliner Gerichte und des BGH (Urteil vom 12.07.2018 - III ZR 183/17) Klarheit darüber, dass für den digitalen Nachlass im Grundsatz nichts anderes gilt als für „analoge Nachlassgegenstände“. Facebook musste schließlich den Erben der Verstorbenen Zugang zum gesperrten Profil gewähren. Zwar kein normaler Zugang (Erben der Minderjährigen waren deren Eltern und diese wollten natürlich nichts posten), aber eben mehr als einen strukturierten Datensatz – Facebook hatte den Eltern nämlich nur einen USB-Stick mit einem 14.000 seitigen PDF übergeben.
Zu erwähnen ist auch der „Inactive Account Manager“ (Googles „digitales Testament“). Das ist ein bisschen schaurig. Der Erblasser kann dort jeweils festlegen, wer über das Konto verfügen soll und auch Google zur Löschung einzelner Daten anweisen.