
Gemäß einer Entschließung des Bundesrats vom 26.09.2025 soll der Gesetzgeber ermöglichen, dass bei der Eröffnung eines sog. „Taschengeldkontos“ für das Kind nicht mehr beide Elternteile zustimmen müssen.
Worum geht es genau?
Ein Taschengeldkonto ist ein Girokonto, das auf den Namen eines Minderjährigen lautet. Das Kind muss aber mindestens 7 Jahre alt sein. Nach aktueller Rechtslage ist es so, dass bei dieser Angelegenheit alle gesetzlichen Vertreter des Kindes mitwirken, also ihre förmliche Zustimmung gegenüber der Bank erklären müssen. Im Regelfall sind beide Elternteile gleichermaßen Inhaber der elterlichen Sorge, also sind auch beide gesetzliche Vertreter des Kindes.
Waren die Kindeseltern miteinander verheiratet, bleibt es im Regelfall bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. Seit 1998 wird im Rahmen des Scheidungsverfahrens nicht mehr von Amts wegen über die elterliche Sorge entschieden, sondern nur noch auf Antrag eines Elternteils. Waren die Kindeseltern nicht miteinander verheiratet, besteht das gemeinsame Sorgerecht nur dann, wenn die Eltern gegenüber dem Jugendamt Sorgeerklärungen abgegeben haben oder wenn und soweit das Familiengericht die der Kindesmutter ab Geburt zustehende Alleinsorge auf den Vater ausgedehnt/übertragen hat.
Leben die sorgeberechtigten Kindeseltern getrennt, üben sie die elterliche Sorge gemeinsam aus – häufig liest man vom „geteilten Sorgerecht“. Der Gesetzgeber unterscheidet in § 1687 BGB dabei im Wesentlichen 2 Bereiche:
- in grundlegenden Fragen, die von erheblicher Bedeutung für das Kind sind, entscheiden die Eltern im gegenseitigen Einvernehmen.
- Davon abzugrenzen sind Angelegenheiten des täglichen Lebens, in denen der Obhutselternteil allein entscheiden darf (also derjenige, in dessen Haushalt das Kind überwiegend betreut wird).
Wer das Kind rechtlich vertreten darf, bestimmt sich also nach der Art des Rechtsgeschäfts und die Einteilung ergibt sich – nicht immer hundertprozentig scharf – in der Gesamtschau der zu § 1687 BGB ergangenen Rechtsprechung. Eine Kontoeröffnung jedenfalls, gehört zur Vermögenssorge und erfordert nach der aktuellen Einteilung durch die Rechtsprechung die Zustimmung von beiden Sorgeberechtigten.
Die Motivation des Bundesrats
Die Entschließung des Bundesrates, über die nun die Bundesregierung im freien Ermessen entscheidet, erfolgte auf Initiative des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Man möchte damit Trennungskindern helfen, die wegen der Uneinigkeit ihrer Eltern benachteiligt werden, weil die frühzeitige Kontonutzung und das bargeldlose Bezahlen erschwert werde. So weit so gut.
Praktische Relevanz und Einordnung des Problems
Fragen im Zusammenhang mit der Ausübung der Vermögenssorge sind bei getrenntlebenden Eltern nicht so selten. Z.B. geht es ja auch um Verfügungen über Guthaben auf einem Kinderkonto oder um Sperrvermerke. Gestörte Elternbeziehungen, in denen die Eltern über die Frage der Kontoeröffnung kein Einvernehmen herstellen können, sind allerdings eher die Ausnahme. In solchen Fällen kann das Familiengericht auf Antrag entweder die Entscheidung in diesem Punkt (oder in ähnlichen Fragen) einem Elternteil übertragen oder – falls erforderlich – auch den Teilbereich der Vermögenssorge einem Elternteil entziehen (damit der andere insoweit alleiniger Inhaber der elterlichen Sorge ist). Rechtliche Instrumente in den seltenen Konfliktfällen sind also schon vorhanden.
Die Untergliederung des elterlichen Sorgerechts in einzelne Teilbereiche mit dem Nebeneinander von „alleiniger Ausübung in Teilbereich(en)…“ und dem „gemeinsamen Sorgerecht im Übrigen“ wird in der Praxis bei Schulen, Ärzten und Banken bereits jetzt schon öfters nicht korrekt geprüft – sei es durch rechtliche Unkenntnis oder durch Nachweisprobleme. Es gibt kein umfassendes Sorgerechtsregister (das wäre ja auch weitere „Bürokratie“), das man abfragen könnte. Einzige Ausnahme ist das sog. Negativattest, das die ledige Kindesmutter auf Nachfrage erhält. Damit kann sie nachweisen, dass bisher keine Sorgeerklärungen abgegeben wurden, ihr also mutmaßlich die Alleinsorge zusteht. Was aber in Fällen der verheiratet gewesenen Eltern oder bei gerichtlichen Entscheidungen, die ggf. nur Einzelfragen oder Teilbereiche betreffen. Was, wenn diese Gerichtsentscheidung schon wieder geändert wurde? Jüngere Reformvorhaben hätten dieses Geflecht u.U. noch komplexer werden lassen (vgl. dazu auch den Blogbeitrag „Gescheiterte Reform: Was sich im deutschen Sorgerecht fast geändert hätte“).
Bewertung
Der Vorstoß ist gut gemeint. Allerdings übernimmt der Umsetzungsvorschlag, wonach die Alleinentscheidungsbefugnis dem „Obhutselternteil“ zugeschlagen werden soll, den gesetzgeberischen Grundfall des Residenzmodells – von dem sich die gesellschaftliche Realität, die tatsächlich gelebten Betreuungsmodelle, seit vielen Jahren immer mehr entfernen.
Der Gesetzgeber hat das (in mehreren Formen mögliche) Wechselmodell, das in der Praxis sehr häufig ist, bisher kaum Regelungen unterworfen. Die Notwendigkeit von gesetzlichen Regelungen für Fälle des paritätischen Wechselmodells und solchen Betreuungsmodellen, bei denen eine sehr hohe Mitbetreuungsleistung durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil erfolgt, ist aber unbestritten (z.B. bei der angemessenen Verteilung der Pflichten zu Betreuungsleistung und Barunterhaltszahlung) - und bisher nicht gelungen. Auch hier ist es weiterhin der Rechtsprechung überlassen, allgemeine Regeln herauszuarbeiten. Beim echten Wechselmodell, bei dem sich beide Elternteile die Betreuung exakt gleichermaßen aufgeteilt haben, gibt es keinen „Obhutselternteil“.
Würde der Gesetzgeber nun, im Bereich der Vermögenssorge (und nur für Fälle des Residenzmodells) die Vertretung bei der Kontoeröffnung anders regeln, was gilt dann bei Überweisungen, Kontokündigung, Herausgabe des Vermögens bei Volljährigkeit, usw.? Ist es angesichts der Häufigkeit des Wechselmodells (und dem leider ebenso über das Kind hinweg geführten, gar ideologischem Kampf um das Wechselmodell) sinnvoll, die gesetzlichen Befugnisse des Obhutselternteils noch weiter aufzuwerten?
Der Ansatz, den Kindern zu helfen, die unter dem Streit ihrer Eltern leiden, ist vollkommen richtig. Die Umsetzung über eine Ergänzung der jetzigen Sorgerechtsregelung halte ich persönlich aber für falsch. Das Gesetz muss allgemeine und klare Regelungen vorsehen, die für alle Betreuungsmodelle geeignet sind. Gefordert ist m.E. auch hier die Rechtsprechung. Ein Elternteil, der mit guter Begründung eine dem Kindeswohl entsprechende Entscheidung (z.B. zur Eröffnung eines Taschengeldkontos) beantragt, sollte innerhalb kurzer Zeit Hilfe erhalten. Leider gilt das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 155 FamFG) insoweit nicht.